Die alte Dorfwelt in Schwarz und Weiß

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Von

Jutta Krause

Eine Auswahl von historischen Fotos, die im Bergcafé ab dem heutigen Samstag gezeigt werden GB-Fotos: gb

Wie sah es hier vor 100 Jahren aus? Wie lebten die Menschen im Dorf, was war anders als heute? Diesen Fragen geht die Ausstellung "Reusten um 1906", die am heutigen Samstag im Bergcafé eröffnet wird, auf den Grund. Die beiden Hobbyhistoriker Jürgen Parchem und Roland Fakler haben zahlreiche alte Fotografien, Zeitungsausschnitte und Gebrauchsgegenstände gesammelt, die das königlich-württembergische Reusten um die Jahrhundertwende anschaulich dokumentieren.

Alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen haben einen besonderen Reiz: Sie zeigen die Welt mehrfach entfremdet. Das Fehlen der Farbe nötigt zum Abstrahieren und das Wissen, dass das Abgebildete längst vergangen ist, verdeutlicht intuitiv den zeitlichen Abstand zum Hier und Jetzt. Gerade das fasziniert Betrachter, weckt Interesse und den Drang zum Interpretieren vor allem dann, wenn man etwas wiedererkennen kann. Doch dürften die Bilder, die Jürgen Parchem und Roland Fakler gesammelt haben, nicht nur für Reustener interessant sein. Sie geben einen guten Einblick in die damalige Lebenswelt.

Die beiden Ausstellungsmacher haben die Aufnahmen mit Bedacht ausgewählt und zusammengestellt. "Zuerst kommt die Totale mit Ansichten des ganzen Dorfs, dann einzelne Häuser und dann Personen, zu denen wir etwas erzählen können", erläutert Roland Fakler. Anhand von Dorfansichten, die die Gebrüder Metz 1906 von Reusten fertigten, Porträts und Alltagsbildern, die Menschen bei der Arbeit oder bei Festen zeigen, lassen die beiden ein Bild des Dorfes erstehen, wie es damals war: Ländlich, arm, geprägt von Viehhandel, Mühle und den Steinbrüchen, in denen zu der Zeit Hochbetrieb herrschte.

Das eine oder andere Bild in der Ausstellung dürfte manchem Ammerbucher bekannt sein etwa die Fotografie von Johannes Haupt, der in Reustener Tracht pfeiferauchend vor seinem Haus sitzt. Doch wird es auch für Alteingesessene manche Überraschung geben. "Wir haben Bilder von Häusern, die kein Reustener mehr kennt, weil sie schon lange nicht mehr stehen", erzählt Parchem stolz. Ergänzt werden die Bilder von Zeitungsausschnitten aus alten "Gäubote"-Ausgaben, die Hintergrundinformationen dazu liefern.

Viele Stunden hat Jürgen Parchem darauf verwandt, im Ortsarchiv in den alten Seiten zu blättern und förderte dabei einige wahre Schätze zutage: Geschichten über Wirtshausstreitigkeiten und Unfälle, die Ankunft der Elektrizität 1907 und die Ankündigung eines Wasserfests, mit dem die neue "Gemeindewasserleitung" 1910 eingeweiht wurde, sind in die Ausstellung integriert. Die antiquierte Sprache, in der diese Bekanntmachungen abgefasst sind, hat es Jürgen Parchem angetan an den höflichen Formulierungen und schönen Redewendungen kann er sich nicht satt hören und lesen. Deshalb sollen an der Vernissage ausgewählte Artikel vorgelesen werden. "Das bringt das Flair der damaligen Zeit in die Veranstaltung", ist er sich sicher. Dieses Flair der Jahrhundertwende wollen die beiden zudem mit Hilfe von Schmuck- und Gebrauchsgegenständen wieder aufleben lassen. "Wir werden das Bergcafé in ein Museum verwandeln", sagt Parchem voll Begeisterung.

Im Flur wird die Fahne des Königreichs Württemberg nebst einem Porträt von König Wilhelm und seiner Gemahlin Königin Charlotte die Besucher empfangen. Alte Mostfässer, Waffeleisen, Brennschere und Butterfass werden den Wirtsraum zieren, auch eine alte Reustener Tracht gibt es zu bestaunen. Mehrere hundert Stunden verbrachten Jürgen Parchem und Roland Fakler mit den Vorbereitungen für die Ausstellung, sie setzten sich sehr intensiv mit der damaligen Zeit auseinander. Die wichtigste Erkenntnis aus den Nachforschungen fasst Jürgen Parchem wie folgt zusammen: "Die Leute sind damals auch nicht anders gewesen als wir heute nur die Umstände haben sich geändert." Und eben leider die Sprache. Doch den beiden Historikern zuliebe soll zumindest die folgende Ankündigung wie vor 100 Jahren klingen:

Zur Ausstellungseröffnung am heutigen Samstag, den 23. September 2006 um 7 Uhr abends im hiesigen Bergcafé wird recht zahlreicher Besuch erhofft.