Leserbrief: Zum Tübinger Vertrag

Mit Geschmäckle

2012-10-25

Tagblatt

Roland Fakler

Mit dem Tübinger Vertrag hat die Tübinger Oberschicht, „die Ehrbarkeit“, Herzog Ulrich Rechte abgehandelt. Sie musste dafür den Herzog bei der Niederschlagung eines Bauernaufstandes unterstützen. Wenn man das traurige Schicksal der Bauern mit einbezieht, war das aus heutiger Sicht nicht nur ein „ehrenhafter“ Vertrag. Den Bauern wurde ein Widerstandsrecht gegen die Willkürherrschaft des Herzogs ausdrücklich versagt. Bei einer Ausstellung müsste zumindest die hoffnungslose Lage der Bauern, die seit Jahrhunderten von Adel und Geistlichkeit ausgebeutet und nun von den Tübinger Honoratioren verkauft und verraten wurden, gebührenden Raum einnehmen. Es sollte besser mit kritischen Fragen als mit euphorischem Jubel erinnert werden. Wieso konnten Herrscher überhaupt unbeschränkte und unkontrollierte Macht gewinnen? Wieso konnten sie ihre Legitimität von „Gottes Gnaden“ herleiten und über ein rechtloses und unmündiges Volk herrschen? Wie sind diese ungerechten und ungerechtfertigten Herrschafts- und Wirtschaftsstrukturen entstanden? Der Tübinger Vertrag ist eine Magna Charta mit Gschmäckle, aber eine Ausstellung könnte durchaus aufklärend wirken.